
Diese Frage wurde gestern an der UNI Graz diskutiert. Eingeladen hatten verschiedene Organisationen, u.a. das Grazer Ideentriebwerk. Nach einem wirklich erhellenden und inspirierendem Vortrag von Michael Faschingbauer, MBA zum Thema Effectuation, wurde noch ein Film gezeigt: THE STARTUP KIDS (Trailer auf YouTube).
Ich möchte hier gerne auf die Frage des Abends eingehen. Die Diskussion nach dem Film war sicher wertvoll und nett, das anschliessende come together am Buffet war allerdings noch wesentlich klarer in den Antworten auf die Frage.
Was schon in der Diskussionsrunde angedeutet wurde, war dann kurz darauf bereits klar: Irgendwie ist die Frage falsch formuliert. Sie impliziert möglicherweise die Annahme, Graz soll ein zweites Silikon Valley werden. Meine bescheidene Meinung dazu: Ein klares nein. Im Silikon Valley würde es aber leichter sein, zu richtig viel Geld zu kommen, wenn man es für die Gründung braucht. Dort wäre es auch selbstverständlich nicht nur 7 Tage die Woche zu arbeiten, und dies auch nicht „nur“ (!!) bist 20:00h, sondern „Dank der Chinesen“ (!!) noch länger.
- Geht es bei jeder Gründung immer „um die Millionen“?
- Geht es wirklich „nur“ ums Geld?
- Soll das ernsthaft unsere Zukunft sein: 7 Tage und Nächte arbeiten, meistens im Büro schlafen und von Pizza &Co leben?
Bei der letzten Frage wundere ich mich, warum wir dann gleichzeitig klagen, immer weniger Kinder zu haben und dass diese dann dauernd in Facebook&Co leben…. Aber darum soll es zumindest jetzt nicht primär gehen. Was aber dann? Ich erlaube mir, die Frage ein wenig anders zu stellen:
Was fehlt Graz, um ein grandioses und reizvolles Gründerviertel zu werden?
Ja, eine Menge, das wurde und wird an anderer Stelle bereits ausführlich diskutiert. Was mich immer dazu veranlasst zu sagen, daß es hier auch wirklich gute Seiten und echte Vorteile gibt, ich bin schliesslich nicht umsonst aus Hamburg hier her gezogen. Ich hatte hierzu am Buffet inspirierende Gespräche, u.a. mit Wolfgang Bergthaler | Indische Wirtschaft und kurz mit Michael Faschingbauer selbst. Teile des Gespräches nun in Form ketzerischer Fragen:
- Reicht es, wenn wir mehrere GründerInnen-Zentren in der Stadt haben?
- Müssen wir wirklich 24/7 arbeiten?
- Ist es wirklich sinnvoll, wenn wir auf den perfekten Businessplan bestehen, wenn er doch in seltenen Fällen nur gelesen wird?
- Reicht es wirklich, immer nach alten Mustern zu arbeiten, weil es doch die geltende „Lehre“ ist?
- Ist es wirklich sinnvoll, allein deshalb zu gründen, weil „der Markt es lt. Analyse“ braucht?
- Ist es wirklich sinnvoll, viel zu netzwerken, aber dabei immer unter seinesgleichen zu bleiben oder sich zumindest in ähnlichen Netzwerken zu tummeln?
- Warum gibt es viele kleine „Szenen“, aber keine große, mutige und vernetzte und offene, neugierige Gründer-Szene?
- Warum liegt der Fokus so selten auf der #Freude und fast immer auf ‚Stress‘ und ‚müssen‘?
- Kommen wir wirklich weiter, wenn wir dauernd der Politik und den Umständen die Schuld geben?
- Warum darf man eigentlich in Österreich nicht SCHEITERN, wenn das doch woanders, im Silikon Valley zum Beispiel, eher positiv ( = wichtige Erfahrungen gemacht) gesehen wird?
- Es gibt noch so viele weitere Fragen…..
Kurz zum Business-Plan: Muss sein | Muss nicht sein. Ja und Nein. Beide haben recht, beide haben unrecht. Möge jede/r seinen und ihren Weg finden. Ich erlaube mir aber die Frage: Wenn er so wichtig ist, warum wird er a) so selten gelesen und b) so selten eingehalten? Kommt aufs Business an, klar. Aber die Zeit die für das Schreiben des Plans weg geht, fehlt woanders bitter. Oft. Was mein einziges Argument FÜR den Businessplan ist: Ihn zu schreiben „zwingt“ den Gründer, sein Business ordentlich zu formulieren und damit ordentlich zu durchdenken.
Nachdem ich wenig davon halte, ewig auf die Politik zu schimpfen, möchte ich dennoch einen Wunsch an die Politik und den gleichen die Gründerinnen und Gründer richten: Habt endlich mehr Mut.
Dazu ein kleines Beispiel: Ich baue u.a. momentan ein spannendes Projekt mit auf: voce:divino. Der Founder des Projektes hat einen kanadischen Pass. Lebte über 20 Jahre in Deutschland, wo er bleiben durfte, so lange er nicht angestellt ist. Jetzt lebt er hier, schon fast 10 Jahre, hat eine Professur inne und darf nur so lange bleiben, wir er angestellt ist. Beides erstaunlich. Aber: Jetzt will er gründen. Und nach langen Recherchen mit Hilfe der WKO Steiermark kommt raus: Er ist der erste Professor mit ausländischem Pass, der hier gründen will. Ob das geht? Achselzucken. Als klar wurde, dass er in D gründet wenn es hier nicht erlaubt wird, war plötzlich Bewegung da. Und doch: Es ist das erste Mal und weder im Land, noch im Bund traut sich jemand eine Entscheidung zu. Statt klarem JA oder klarem NEIN ist nur ein vages VIELLEICHT möglich. Da fehlt Graz noch eignes zum Gründer-Viertel, wenn man allein diesen Punkt ansieht.
Hören wir also auf, anderen „die Schuld“ zu geben. Auch ich kann kaum die richtigen und umfassenden Antworten formulieren, weder auf die Frage des Abends, noch auf meine eigene. Und doch lasse ich jetzt all meine Erfahrung einfliessen, nehme auf was ich gestern gehört und besprochen habe und formuliere meine Antwort erst einmal so: Es braucht
Mut und Offenheit, Freude, Ideen und Tatendrang.
Für die Gespräche, die Organisation und die Mitwirkenden bin ich dankbar. Ohne sie wäre vieles nicht angesprochen worden, bleiben wir am und im Thema, bleiben wir im Gespräch. Und vor allem: Stellen wir weiterhin Fragen. Die richtigen, die anregenden, die weiter führenden.
Guter Post. Ganz meine Meinung!
Es geht nicht nur ums Geld. Es geht um die Steine die einem von Regierung und Co. dauernd in den Weg gelegt werden.
Danke für Deine Meinung. Was genau meinst Du mit den „Steinen“ die einem in den Weg gelegt werden?